RPA entwickelt sich zum Universalwerkzeug für die Automatisierung von Unternehmensabläufen in der Finanzindustrie.
Der Artikel demonstriert die Möglichkeiten anhand von Beispielen und gibt Hinweise für den erfolgreichen Einsatz von RPA, unter anderem in der Wertpapierabwicklung.
Kosten reduzieren und gleichzeitig neue Regularien erfüllen – diese Herausforderung ist für die meisten Finanzinstitute nicht neu, doch in Kombination mit dem sich verschärfenden Fachkräftemangel drängender denn je. Konkret zeigt sich das unter anderem an Programmen wie BIRD(1) und IReF(2), mit denen die Regulierungsbehörden einheitliche Regelungen für das Reporting sowohl bankenintern als auch im Zusammenspiel mit den europäischen Zentralbanken implementieren wollen. Kürzel wie BCBS 239, AnaCredit oder GT-VO stehen beispielhaft für die vielen aufsichtsrechtlichen, bilanziellen und steuerlichen Richtlinien, die allein beim Erstellen von Berichten und Speichern von Informationen zu beachten sind. Um den dadurch verursachten Zusatzaufwand zu beherrschen, lautet die Devise: „Prozesse automatisieren“. Damit lassen sich gleichzeitig die strukturellen Ausgaben verringern, was Experten immer wieder fordern(3). Robotic Process Automation (RPA) ist deshalb zwingend erforderlich, um die aktuellen Herausforderungen im Zuge der digitalen Transformation des Finanzgeschäfts zu meistern – auch durch die Kombination mit Verfahren der Künstlichen Intelligenz (KI).
Altanwendungen bremsen Automatisierung
Bislang scheitert eine durchgängige Automatisierung von Banking-Prozessen häufig an veralteten, schlecht dokumentierten Bestandsanwendungen. Nur mit hohem Zeitaufwand und
beträchtlichen Risiken lassen sich die in den
etablierten Instituten vorherrschenden LegacyInfrastrukturen grundlegend modernisieren.
Doch angesichts der wachsenden Konkurrenz
durch FinTechs sind schnelle Veränderungen
gefragt. Darüber hinaus erhöhen die großen
Tech-Giganten Amazon, Google, Facebook und
Apple (AGFA) den Druck zusätzlich. Laut einer
aktuellen Studie von NTT DATA [2019] sehen
mehr als 80 Prozent der befragten Führungskräfte in den Bereichen Financial Services und
Insurance Services ihre neuen Hauptkonkurrenten in Amazon und anderen Tech-Giganten. In
dieser Situation bietet sich RPA als Lösung an:
Da Softwareroboter die vorhandenen Anwendungen ähnlich bedienen wie menschliche
Benutzer, können sie einfache, hoch repetitive
Tätigkeiten wie beispielsweise Kontoabstimmungen, Kommunikation mit externen Partnern wie Börsen und Zentralverwahrern oder die
Auswertung von SWIFT-Nachrichten und Wertpapierbewegungsdaten innerhalb kürzester
Zeit automatisch ausführen. In wenigen Tagen
schon ist ein Roboter in der Lage, auch komplexe Abläufe zu übernehmen. Mit zunehmender
Erfahrung im Einsatz der neuen Technologie verkürzt sich dieser Zeitraum. Ein positiver Business
Case ist in der Regel innerhalb eines Jahres zu
erreichen. Vor diesem Hintergrund erscheint es
wenig überraschend, dass Unternehmen weltweit bereits seit Jahren mit der neuen Technologie experimentieren. Der anhaltende Fachkräftemangel treibt diese Entwicklung zusätzlich an.
Insbesondere die Backoffice-Bereiche Wertpapierabwicklung und Zahlungsverkehr verlieren
in den nächsten Jahren viele Mitarbeiter an den
Ruhestand. Für qualifizierten Nachwuchs sind
die freiwerdenden Stellen häufig nicht interessant. Wenn Roboter möglichst viele langweilige
Routinetätigkeiten übernehmen, können Banken ihren Fachleuten attraktivere Arbeitsplätze
bieten und sie so ans Unternehmen binden.
Wirtschaftliche Vorteile
Zu den Charakteristika der Software-Roboter
gehört, dass sie jeden einmal programmierten
Prozess immer gleich ausführen. Fehler durch
Auslassen einzelner Arbeitsschritte treten ebenso wenig auf wie nachlassende Aufmerksamkeit
oder Ablenkung durch die äußere Umgebung.
Gleichzeitig dokumentieren sie jeden Arbeitsschritt. So ist jederzeit nachvollziehbar, wann
welcher Arbeitsschritt ausgeführt wurde und mit
welchem Ergebnis. Das erleichtert und beschleunigt interne Audits, aber auch die Zusammenarbeit mit den Regulierungsbehörden, weil volle
Transparenz über die tatsächlich abgelaufenen
Prozesse besteht – unabhängig von menschlicher Wahrnehmung. Hinzu kommt: Da ein Roboter in der Regel 24 Stunden pro Tag verfügbar ist,
erbringt er bei optimalem Einsatz die Leistung
von bis zu vier Vollzeitkapazitäten.
Vom richtigen Umgang mit den digitalen
Kollegen
Wenn trotz dieser Vorteile in der Vergangenheit
so mancher Proof of Concept scheiterte, lag das
vor allem daran, dass Unternehmen Roboter an
der IT vorbei in Fachabteilungen einsetzten, ohne
dabei auf die erforderliche Governance zu achten. Es wurde schlichtweg übersehen, dass ein
nachhaltiger Nutzen für das Unternehmen nicht
durch das Programmieren eines einzelnen Roboters für eine einzige Aufgabe entsteht, sondern
durch Skalieren auf möglichst viele, möglichst
hoch ausgelastete RPA-Instanzen. So wählten
Unternehmen für Automatisierungsvorhaben
Prozesse aus, die entweder nicht genug Einsparungspotenzial boten oder zu selten ausgeführt
werden, um wirtschaftlich relevanten Nutzen zu
stiften. Oft wurde der zugrunde liegende Business Case nicht sauber durchdacht oder zur Freigabe des Unterfangens zu positiv gerechnet. Die
mangelnde Lieferung der erwarteten Einsparungen führte dann schnell zu Zweifeln am Nutzen
der Technologie als solcher. Widerstand in der
nicht genügend eingebundenen Belegschaft
führte ebenfalls zu vermeidbaren Problemen in
der Umsetzung. Auch manche Führungskräfte
akzeptieren die Automatisierung nur widerwillig,
weil die Zahl ihrer Mitarbeiter für sie ein Statussymbol darstellt.
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