Telekommunikationsunternehmen in Europa sind bereits seit einigen Jahren im gnadenlosen brancheninternen Verdrängungswettbewerb. Stagnierende Umsätze, Kostendruck und Regulierung haben zur schrittweisen Konsolidierung der nationalen Märkte geführt. Der Höhepunkt der M&A Aktivitäten ist zwar inzwischen überschritten, dafür sind einige Branchenakteure – in Deutschland Vodafone mit Kabel Deutschland und Telefonica mit E-Plus – mit der Umsetzung ihrer geschäftskritischen Post Merger Integration (PMI) fast abgeschlossen. In Aussicht gestellte, milliardenschwere Synergieeffekte müssen auf allen Ebenen der Unternehmen realisiert werden – von der Netztechnik, über IT, Vertriebsstrukturen und Kundenservice bis hin zu G&A. Das Ziel ist ein agiles, für die Herausforderungen des digitalen Zeitalters gerüstetes Unternehmen.
Was zum Kerngeschäft eines solchen Digital Telco der Zukunft gehört, sehen die Marktteilnehmer für sich durchaus unterschiedlich.
Den Betrieb des angestammten Telekommunikationsgeschäftes lösen manche mittels umfassender Outsourcing- und Finanzierungsmodelle, andere legen große Teile ihres Netzbetriebs als „Shared Network“ zusammen und dritte wiederum rufen dafür eigene Geschäftssparten ins Leben. Für den explosionsartig wachsenden Breitbandbedarf und die Vielzahl neuer Anforderungsprofile aus der Welt der Wearables, Connected Cars, Smart Cities, Industrie 4.0, etc. investieren Telkos in neue Netztechnologien, wie z.B. Vectoring, G.fast, 5G und DOCSIS 3.1, was ihnen weitere Möglichkeiten der Leistungsdifferenzierung und Preisgestaltung verschafft.
In den vergangenen fünf Jahren hat sich in Bezug auf mediale Inhalte & TV viel getan. So ist der Anteil an Bewegtbildern am weltweit übertragenen Datenvolumen von 10% auf 50% angeschwollen, Tendenz steigend. Zugleich sind es Over-The-Top (OTT) Anbieter wie Netflix, maxdome, Whatchever und Amazon Prime Video, die vorhandene Quad-Play-Angebote großer Telkos angegriffen haben. Zweifelsfrei bedient individualisierter Content-On-Demand das mediale Nutzungsverhalten der Zukunft und kann damit einen wichtiger Platz im Instrumentenkasten zur Kundenbindung, sowie im künftigen Umsatzmix eines Telekommunikationsunternehmens einnehmen.
Außerdem gibt es für die Telekom-Industrie in den nächsten Jahren enorme Potentiale den Kundenservice zu optimieren. Denn mit den steigenden Möglichkeiten von IT basierter Prozessautomatisierung, intelligenter Telko-Netze, Verarbeitung von natürlicher Sprache in Echtzeit, Künstlicher Intelligenz und Big Data Processing, können vollkommen neuartige, kontextabhängige und personalisierte Kundenbetreuungsmodelle erschlossen werden. Customer Experience Management war nicht ohne Grund im letzten Jahr das Top-Thema der Branche.
Mit der fortwährenden Annäherung der Netz- und IT Technologien, die sich in Entwicklungen wie All-IP, Software Defined Networks (SDN), Virtualisierung (NFV) und Cloud Computing & Orchestration zeigt, drängt sich auf natürliche Weise ein neuer Schwerpunkt im Kerngeschäft des künftigen Telekommunikationsunternehmens auf. Dieser wird zum Anbieter einer umfassenden Digitalen Plattform aus Telekommunikation, Cloud-Diensten, Sicherheit, Schnittstellenstandardisierung und Prozessorchestrierung, die zum industriellen Rückenmark der Software Defined Economy werden kann. Eine Digital Eco-System Plattform entsteht.
Der stetige Vormarsch von Google, Amazon, Facebook und Co. im Geschäft mit Cloud-basierten Diensten, Medienangeboten und inzwischen auch mit Telekommunikation erfordern das entschlossene Handeln der klassischen Telekommunikationsunternehmen. Sie müssen ihren Platz als Infrastrukturanbieter für Datenübermittlung verteidigen und ihre Rolle in der digitalen Wertschöpfung ausdehnen.
Die Gestaltung einer Digital Eco-System Plattform industriellen Ausmaßes würde das traditionelle Telekommunikationsgeschäft um Cloud basierte, sichere und standardisierte Branchenlösungen „as a Service“ erweitern. Dafür müssen Telekommunikationsunternehmen weiterhin gewaltige Investitionen in IT und technisches Personal, aber auch in Fachkräften einzelner Branchen tätigen. Der Einsatz tiefen Branchenwissens ist für die Gestaltung höherwertiger Angebote in Innovationsfeldern wie Connected Car, Smart Cities oder Fernmedizin unerlässlich. Dedizierte „Digital Business Units“ außerhalb etablierter Konzernstrukturen schaffen gute Voraussetzungen für die Entfaltung kreativer Geschäftsideen gepaart mit kurzen Entscheidungswegen.
Um darüber hinaus die Evolution digitaler Eco-Systeme zu beschleunigen benötigen Telekommunikationsunternehmen Partner-Plattformen, die einfache, automatisierte und zugleich kostengünstige Möglichkeiten zum Testen neuer Software-basierter Geschäftsideen anbieten. Diese Plattformen müssen technologische Barrieren und uneinheitliche oder nicht vorhandene Standardisierung überwinden helfen.
In Zeiten der eSIM wird die Schlagkraft neuer Industriekooperationen die nächste Welle der Marktaufteilung im Internet-of-Things bestimmen. Telekommunikationsunternehmen müssen ihren Vertrieb, aber genauso ihre Netz- und IT-Landschaften darauf ausrichten.
Und nicht zuletzt erfordert das bereits erwähnte Prioritätsthema Customer Experience Management eine Neugestaltung kundenrelevanter Prozesse, Kommunikation und Bindung, sowie ihrer IT gestützten Umsetzung.
Fortsetzung folgt in Teil 2.